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Die Bundeswehr – bedingt abwehrbereit ?

Von Johan­nes F. Fiol­ka

Bedingt abwehr­be­reit, das titel­te der Spie­gel im Jahr 1962. Was dar­auf folg­te, war die Spie­gel-Affä­re. Geschich­te ist Geschich­te. Den­noch asso­zi­ie­ren vie­le Bun­des­bür­ger mit der Bun­des­wehr genau das. Sieht die Lage denn wirk­lich so schlimm aus ? Könn­te die Bun­des­wehr sich im Kri­sen­fall nicht ohne die Hil­fe der Bünd­nis­part­ner ver­tei­di­gen ?

Die Truppe

Oft hört man, dass die Trup­pe unzu­frie­den wie nie sei. Stimmt das bzw. lässt sich das über­haupt mes­sen ? Wenn man der rei­nen Anzahl der Beschwer­den, die beim Wehr­be­auf­trag­ten, Dr. Bar­tels, ein­ge­gan­gen sind, glau­ben darf, dann lässt sich tat­säch­lich fest­stel­len, dass die Zahl auf einem sehr hohen Niveau ist. Mit 4.560 Beschwer­den im Jahr 2016 hat der Wehr­be­auf­trag­te in der Ver­gan­gen­heit bereits mehr Beschwer­den gese­hen als 2015.

Wor­an liegt die ste­ti­ge Unzu­frie­den­heit ? Die ver­gan­ge­ne Bun­des­wehr­re­form hat den Per­so­nal­ap­pa­rat
erneut ver­klei­nert. Der Anspruch des Minis­te­ri­ums setzt dem­ge­gen­über nahe­zu die kon­stan­te Leis­tungs­fä­hig­keit der Bun­des­wehr vor­aus. Genau hier liegt das Pro­blem. Wie kann eine Trup­pe die
glei­che Leis­tung bei weni­ger Per­so­nal erfül­len ? Ver­füg­te die Bun­des­wehr vor fast 20 Jah­ren noch nahe­zu die drei­fa­che Per­so­nal­de­cke, wur­de sie mit jeder Reform ver­klei­nert, was letzt­lich eine Mehr­be­las­tung für jeden ein­zel­nen Sol­da­ten bedeu­tet.

Ent­schei­den­der als die Mehr­fach­be­las­tung ist jedoch die Leis­tungs­fä­hig­keit der Trup­pe. Ein ein­fa­cher
Ver­gleich macht das nach­voll­zieh­bar : Wenn ich einen Werk­zeug­kas­ten habe, mein Werk­zeug­kas­ten ist die Bun­des­wehr, und ich neh­me Jahr für Jahr kon­stant Werk­zeu­ge weg, dann habe ich am Ende immer noch einen Werk­zeug­kas­ten, aller­dings bin ich wahr­schein­lich nicht in der Lage, alle Schrau­ben­ty­pen fest­zu­schrau­ben, das heißt die Leis­tungs­fä­hig­keit in den spe­zi­fi­schen Anfor­de­rungs­fel­dern nimmt mit den Jah­ren kon­ti­nu­ier­lich ab.

Reform um Reform hat dazu bei­getra­gen, dass die Stim­mung in der Trup­pe einen Tief­punkt erreicht hat. Dabei ist die per­so­nel­le Aus­stat­tung sicher ein maß­geb­li­cher Grund, aber die Aus­stat­tung trägt genau­so zu die­sem Zustand bei.

Die Ausstattung

Die Aus­stat­tung der Bun­des­wehr ist in einem deso­la­ten Zustand. So deso­lat, dass selbst die bes­te Moti­va­ti­on der Trup­pe nur zu einer kläg­li­chen Bes­se­rung bei­tra­gen kann. Schwe­res Groß­ge­rät, wie Pan­zer, Hub­schrau­ber und Schif­fe feh­len bzw. sind nicht ein­satz­fä­hig. Glei­ches gilt auch für Muni­ti­on und per­sön­li­che Aus­rüs­tungs­ge­gen­stän­de der Sol­da­ten. Der Aus­stat­tungs­man­gel macht sich so stark bemerk­bar, dass selbst die Aus­bil­dung auf eini­gen Groß­ge­rä­ten nur unzu­rei­chend betrie­ben wer­den
kann. Das kann im Zwei­fel die Hand­lungs­si­cher­heit im Ernst­fall beein­träch­ti­gen.

Wor­an liegt der ekla­tan­te Aus­stat­tungs­zu­stand der Trup­pe ? Die Ana­ly­se die­sen Pro­blems lässt sich sicher­lich nicht in die­sem Arti­kel abhan­deln, aller­dings lässt er sich ver­ein­facht auf zwei Pro­ble­me ein­gren­zen : der über­lan­gen Dau­er der Instand­set­zungs­ar­bei­ten der Indus­trie und dem kom­pli­zier­ten Beschaf­fungs­we­sen selbst bei klei­nen Vor­ha­ben. Die Indus­trie ist zuneh­mend mit der Instand­set­zung über­for­dert, dies liegt zum Groß­teil an den über die Jah­re gewach­se­nen Ansprü­chen an das Gerät. Statt gemein­sa­mer, wirk­lich ein­heit­li­chen, euro­päi­scher Ent­wick­lun­gen setzt jedes Land auf Indi­vi­du­al­lö­sun­gen.

Deut­lich vor Augen geführt wird der deso­la­te Zustand der Trup­pe an eini­gem Bei­spiel : Schaut man sich das ein­satz­fä­hi­ge Mate­ri­al der Luft­waf­fe an, so macht man sich ernst­haf­te Sor­gen über deren Schlag­kraft. Die­ses Bei­spiel lässt sich auf nahe­zu jedes Groß­ge­rät über­tra­gen, egal ob Mari­ne, Heer oder Luft­waf­fe. Vom Trans­port­hub­schrau­ber NH-90 sind 9 von 29 ein­satz­fä­hig, vom Kampf­hub­schrau­ber KHS Tiger sind 12 von 27 ein­satz­fä­hig, vom Kampf­jet Tor­na­do sind 28 von 74 ein­satz­fä­hig, vom Kampf­jet Euro­figh­ter sind es 41 von 79 und so wei­ter. Min­des­tens 50% des Groß­ge­rä­tes der Bun­des­wehr ist nicht ein­satz­fä­hig.

Die Perspektive

Vom Ist-Stand zu Per­spek­ti­ven : Fest­hal­ten lässt sich, dass die Bun­des­wehr zum aktu­el­len Stand tat­säch­lich nur bedingt abwehr­fä­hig ist. Die Bun­des­wehr ist per­so­nell unter­be­setzt und das Per­so­nal läuft an der Ver­schleiß­gren­ze.

Trotz aller Pro­ble­me scheint im Bun­des­ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um tat­säch­lich eine Trend­wen­de ein­ge­läu­tet wor­den zu sein : in den Berei­chen Mate­ri­al, Per­so­nal und Haus­halt wur­de die Abkehr vom Schrump­fungs­kurs ange­kün­digt. Damit ist immer­hin das Pro­blem erkannt und eine Trend­wen­de ein­ge­lei­tet wor­den. Das ist aber nur ein Anfang. Fol­gen­de Schrit­te sind aus mei­ner Sicht not­wen­dig, damit die Trup­pe auch in Zukunft gut auf­ge­stellt ist :

  1. Ver­grö­ße­rung des Per­so­nal­ap­pa­ra­tes der Bun­des­wehr auf 230.000 Beschäf­tig­te. Die Bun­des­wehr­re­for­men haben in der Ver­gan­gen­heit dazu bei­getra­gen, dass vor allem der Unter­bau der Trup­pe ste­tig ver­min­dert wur­de. Jetzt ist es an der Zeit, den soge­nann­ten Was­ser­kopf an der Spit­ze ste­tig abzu­bau­en und gleich­zei­tig für eine gesun­de Restruk­tu­rie­rung im Unter- und Mit­tel­bau zu sor­gen.
  2. Euro­päi­sches Beschaf­fungs­we­sen für mili­tä­ri­sches Groß­ge­rät ohne län­der­spe­zi­fi­sche Indi­vi­du­al­lö­sun­gen. Addiert man den Ver­tei­di­gungs­etat aller EU-Staa­ten, so stellt man fest, dass die Mit­glieds­län­der gemein­sam welt­weit auf Platz zwei ran­gie­ren. Jedoch ist kaum ein ande­rer Beschaf­fungs­ap­pa­rat so inef­fi­zi­ent wie der euro­päi­sche. Es exis­tie­ren viel zu vie­le indi­vi­du­el­le Lösun­gen, ange­passt auf jedes Land. Die Euro­päi­sche Uni­on benö­tigt stan­dar­di­sier­te Waf­fen­sys­te­me mit einem gemein­sa­men Beschaf­fungs­we­sen.
  3. Eine orga­ni­sche und nach­hal­ti­ge Erhö­hung des Ver­tei­di­gungs­etats. Die bereits in der Trend­wen­de erkenn­ba­ren Erhö­hun­gen des Mili­tä­re­tats sind bereits ein ers­ter Schritt, aller­dings soll­ten die Mili­tär­aus­ga­ben an die Rol­le Deutsch­lands in der Euro­päi­schen Uni­on und der Welt ange­passt wer­den. Deutsch­land muss auch in Zukunft in der Lage sein, mili­tä­risch mehr Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men. Das kann nur mit einem höhe­ren Mili­tä­re­tat gelin­gen.

Da das Bun­des­ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um die ent­spre­chen­de Trend­wen­de ein­ge­läu­tet hat, ist damit zu rech­nen, dass die Pro­ble­me im Zukunft beho­ben wer­den kön­nen. Es bleibt nur abzu­war­ten in wel­chem Umfang. Die Bun­des­wehr wur­de in den ver­gan­ge­nen 20 Jah­ren kaputt­ge­spart, nun geht es dar­um, die Bun­des­wehr für das zukünf­ti­ge Anfor­de­rungs­pro­fil zu stär­ken und Deutsch­land in sei­ner Füh­rungs­ver­ant­wor­tung inner­halb der Euro­päi­schen Uni­on und der NATO zu unter­stüt­zen.

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